Learning by teaching – Ein Jahr als Europäischer Freiwilliger in Armenien

„Two roads diverged in a wood and I … took the one less travelled by, and that has made the difference.“ Mit diesem Zitat des amerikanischen Schriftstellers Robert Frost beschrieb Hans-Peter im April 2013 seine Motivation, nach seinem Lehramtsstudium noch einmal ein Jahr im Ausland zu verbringen. Kultur Aktiv unterstützte ihn bei seinem Vorhaben und ermöglichte ihm einen Aufenthalt in Armenien bei unserer Partnerorganisation „Federation of Youth Clubs of Armenia“ (FYCA). Seit Oktober 2014 ist er zurück und lebt nun in Amsterdam. Wir haben ihn nach seinen Erfahrungen befragt.

Warum Armenien?

Eine Dozentin meiner Universität hatte mir von ihren Erfahrungen aus Armenien berichtet und hat mich sofort von dem Land begeistern können. Um ehrlich zu sein kam mir nie in den Sinn, in dieser Gegend der Welt meinen Horizont erweitern zu wollen, aber je mehr ich über Armenien las und je mehr die Dozentin von dem Land sprach, umso größer wurde der Wunsch, in genau diesem Land meine Erfahrungen mit der Welt zu machen.

Wie hast du deine Einsatzorganisation gefunden?

Ich habe die Einsatzstellen in der EVS-Datenbank nach Projekten mit pädagogischem Bezug durchsucht und bin auf das Gyumri Childcare Centre gestoßen. Kultur Aktiv hat mich dann bei der Kontaktaufnahme unterstützt und gemeinsam mit der Aufnahmeorganisation haben wir ein Projekt entwickelt, das meinen Interessen und Fähigkeiten entsprach.

Welche Aufgaben hast du während deines Freiwilligeneinsatzes übernommen?

Das Projekt beinhaltete die Arbeit im Gyumri Childcare Centre. Hier kamen Kinder aus sozial schwierigen Verhältnissen nach der Schule hin und wurden auf verschiedene Weise betreut. Neben einer warmen Mahlzeit wurden die Kinder psychologisch sowie ärztlich betreut und es wurde Hausaufgabenhilfe angeboten. Meine Aufgaben bestanden darin, den Kindern bei ihren Deutsch- und Englischhausaufgaben zu helfen sowie Beschäftigungen, wie zum Beispiel einen Englischclub zu gestalten. Daneben habe ich auch einen Englischkurs für die Mitarbeiter gegeben.

Danach haben wir als Freiwillige in Eriwan Sprachunterricht für FYCA-Mitglieder gegeben. Meine Aufgabe war es, Konversationsklubs auf Englisch vorzubereiten und mit den jungen Menschen (18 – 27 Jahre) durchzuführen. Meine letzten Wochen habe ich an der Mittelschule in Sardarapat verbracht. Diese Schule bereitet die Schüler auf ihr Deutsches Sprachdiplom vor. Meine Aufgaben waren, die Lehrer zu begleiten und sie bei Fragen zur deutschen Sprache und Kultur zu beraten. Ich konnte auch selbst unterrichten. Außerdem fand zu dieser Zeit auch auch Austausch mit einer Deutschen Schule aus Halle statt, bei dem ich mitgemacht habe.Bild1_Daycare Center

Bild2_Daycare Center_Pumpkin Workshop

Hast du auch mit anderen Europäischen Freiwilligen vor Ort zusammengearbeitet?

Im Sommer haben alle Freiwilligen, die bei FYCA aufgenommen waren, ein Straßenprojekt in Gyumri organisiert. Die Vorbereitungen dazu begannen bereits im Februar. Eine Woche lang haben wir auf Gyumris Straßen Projekte zu Kunst, Musik, Tanz und Sport angeboten. Die Jugendlichen und Kinder, die an uns vorübergingen, konnten stehen bleiben und sich an allen Aktivitäten beteiligen. Das ganze Projekt gipfelte in ein großes Straßenfest auf dem Rathausplatz in Gyumri zum Kindertag. Hier haben wir die Ergebnisse der Woche vorgestellt, ein Street Soccer Turnier veranstaltet und jede Menge Mit-Mach-Aktionen für die Kinder gestaltet.

(Mehr zu diesem Projekt hier: https://www.facebook.com/TheVoiceOfGyumri)

Bild3_Team Voice of Gyumri Bild4_Voice of Gyumri_Painting Workshop

Sprichst du jetzt fließend Armenisch?

Leider nicht! Dadurch, dass die armenische Sprache so viel anders ist, als alle Sprachen, die mir bisher begegneten, fiel es mir schon recht schwer, die Sprache zu erlernen. Die unregelmäßigen Sprachkurse taten ihr Übriges dazu. Nach einer Zeit fiel es mir durchaus leichter, in den Geschäften einzukaufen und hier und da auch einen kleinen Plausch mit den Angestellten zu halten. Die meiste Zeit meines Aufenthaltes unterhielt ich mich mit anderen Freiwilligen auf Englisch und auch die Kontakte zu unseren armenischen Freunden haben wir ausschließlich in Englisch gepflegt.

Bist du schnell in der armenischen Kultur angekommen?

Dadurch, dass ich die ersten Monate in einer Gastfamilie untergebracht war, war die Integration hervorragend gegeben. Ich habe mit der Familie viele persönliche Erlebnisse durchgemacht, die man eventuell nicht so machen kann, wenn man nur zu Besuch in Armenien ist. Daneben gab es auch viele junge Armenier, die bald in meinem Bekannten- und Freundeskreis ein- und ausgingen. Von ihnen lernte ich viel über die Kultur aus erster Hand und sie nahmen mich auch mit zu armenischen Veranstaltungen. Schön war, dass die Inhaber der kleinen Läden einen bald kannten und man immer ein Lächeln von Ihnen bekam. Die armenische Gemeinschaft wusste, wer wir waren und es gab für mich persönlich keine Schwierigkeiten.

with host family in GyumriBild5_Backgammon with host father

In welcher Hinsicht hat der Freiwilligendienst dich verändert?

Sich in einem unbekannten Kulturraum zurechtzufinden und ein Jahr in diesem zu leben sehe ich als neu erlernte soziale Fähigkeit. Des Weiteren habe ich durch das Zusammenarbeiten mit meiner Aufnahmeorganisation, mit den Mitarbeitern meiner Projekte und vor allem mit allen anderen Freiwilligen, gelernt, Kompromisse zu schließen und in einer etwas chaotischen Arbeits- und Organisationsstruktur meinen Weg zu finden. Ich bin gelassener geworden. Dinge, die man nicht selbst in die Hand nehmen und ändern kann, brauchen nicht selten Zeit um gelöst oder erledigt zu werden. Diese Einstellung hatte ich früher nicht. Ein großer Schritt in meiner Entwicklung ist auch eine verbesserte Flexibilität. Nicht stur auf seinem Plan zu beharren sondern Möglichkeiten zu finden etwaige Probleme oder Änderungen mit einzubeziehen.

Würdest du den Europäischen Freiwilligendienst weiterempfehlen?

Definitiv. Gerade wenn man in Länder geht, die nicht auf der üblichen Urlaubslandliste stehen. Man lernt mit so einem Jahr, sich zurechtzufinden, vielleicht sich selbst zu finden. Der Austausch und die persönlichen Bemühungen sich anzupassen ohne sich zu verbiegen ist sicherlich eine wichtige Erfahrung und prägt einen fürs weitere Leben.

Welchen Rat möchtest du zukünftigen Freiwilligen mitgeben?

Viele Freiwillige, die ich antraf, kamen mit dem Ideal, die Welt in Armenien besser machen zu wollen. Sicher steckte dahinter der Wunsch zu helfen. Aber ich hatte das Gefühl, dass die Tatsache, dass viele Freiwillige nicht die erhofften Erfolge erlangten, sich über kurz oder lang fehl am Platz fühlten. Der Elan schwand und anstatt das interessante Land auf sich wirken zu lassen, habe sich viele mehr der Enttäuschung hingegeben, nicht die Welt retten zu können. Ich denke, in den Vorbereitungskursen sollte darauf mehr eingegangen werden. Sicher, um auf eine solche Reise zu gehen, ist ein gewisses Maß an Idealismus nicht schlecht, aber man sollte Enttäuschungen vorbeugen.

Hans-Peters Erfahrungen in seinem Blog: http://einbeuteltierinarmenien.blogspot.com

Dieses Projekt wurde mit Unterstützung der Europäischen Kommission finanziert. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung (Mitteilung) trägt allein der Verfasser; die Kommission haftet nicht für die weitere Verwendung der darin enthaltenen Angaben.