“Что делать?” – Lenin zwischen Hopp und Pop

Eine Ausstellung zum Umgang mit den Lenin-Denkmälern in den Ländern des ehemaligen Ostblocks

„Looking for Lenin“

Fotografien von Niels Ackermann

Am 8. Dezember 2013 erreichten die Proteste des „Euromaidan“ gegen die Regierung des ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch mit dem „Marsch der Millionen“ ihren Höhepunkt. An jenem Abend stürzte eine vermummte Gruppe aus dem Umfeld der nationalistischen Vereinigung „Swoboda“ das Lenin-Denkmal auf dem Bessarabska-Platz in Kiew von seinem Sockel. Der Sturz dieses Denkmals war – wie einst seine Errichtung – vor allem ein symbolischer Akt. Das Denkmal selbst symbolisierte die Sowjetmacht in der Ukraine, sein Sturz die endgültige Abkehr vom sowjetischen Erbe und stellvertretend dafür auch von Russland.

Krementschuk, 30. März 2016, © Foto: Niels Ackermann

Der „Leninopad“, die Zerstörung der Lenin-Denkmäler, setzte in der Westukraine bereits in der letzten Phase der Sowjetunion ein. In der Ukraine existierten einst über 5500 Lenin-Monumente, von denen weit über die Hälfte schon vor den Maidan-Unruhen verschwanden. Der Schriftsteller Juri Andruchowytsch pointierte dabei regionale Unterschiede bei der Behandlung der Lenin-Denkmäler: „geschmückte Orte des Gedenkens in den östlichen Regionen; unbemerkte und ungepflegte Relikte im Zentrum; und virtuell nicht existent im Westen des Landes.“

Im Zuge der „Revolution der Würde“, wie die Maidan-Proteste von 2013/14 in der Ukraine bezeichnet werden, fielen weitere Denkmäler aus der Sowjetzeit politischem Vandalismus zum Opfer. Mit den Gesetzen zur Dekommunisierung vom Mai 2015 wurden auch die letzten Relikte der kommunistischen Erinnerungskultur innerhalb eines halben Jahres aus der Öffentlichkeit verbannt.

Dieser Lenin wurde in einen Kosaken verwandelt. Er trägt ein Wyschywanka-Hemd, hält eine Bulawa-Keule und hat einen Chupryna-Haarschnitt erhalten. Er begrüßt Besucher am Eingang eines Freizeitclubs am Dnjepr. Die Kosaken waren eine bunt gemischte Gruppe von Kriegern, die einst die Steppen der heutigen Zentral- und Ostukraine beherrschten. Wegen ihrer Autonomie, gepaart mit einem feindseligen Verhältnis zum russischen Reich, wurden sie für moderne Ukrainer zu Symbolen der Freiheit und Unabhängigkeit.
Tscherkassy, 30. März 2016, © Foto: Niels Ackermann

Der Schweizer Fotograf Niels Ackermann erlebte die Proteste auf dem Maidan als Fotojournalist. Er arbeitete damals in der Ukraine an einem fotografischen Langzeit-Projekt über Jugendliche in unmittelbarer Nachbarschaft zur Sperrzone von Tschernobyl. Als die Dekommunisierung 2015 gesetzlich fixiert wurde, fragte er sich, wo eigentlich die Reste der Lenin-Statue vom Bessarabska-Platz geblieben seien. Gemeinsam mit dem befreundeten französischen Journalisten Sebastien Gobert machte er sich auf die Suche.

Sie fanden viele Lenins im ganzen Land – versteckt, verfremdet oder verstümmelt – und nach über einem Jahr der Suche auch den Kopf der Statue vom Bessarabska-Platz. Im Ergebnis ihrer Recherchen, die sie in ihrem Foto-Text-Projekt „Looking for Lenin“ zusammengefasst haben, spiegelt sich auch die Zerrissenheit der ukrainischen Gesellschaft. Denn vor allem fanden Sie Geschichten – ein Kaleidoskop an unterschiedlichen Haltungen und Meinungen zur polarisierenden Symbolfigur Lenins, zum Umgang mit dem Sowjeterbe, zur Geschichte und zur Zukunft der Ukraine.

JO

© Foto: Jan Oelker

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