Liberaler Club

Am 17. Februar versammelte die Gemeinschaft „Dritter Weg“ junge und demokratisch denkende Menschen aus verschiedenen belarussischen Städten in Minsk, mit dem Ziel über die Zukunft der belarussischen Wirtschaft zu diskutieren und ein Kooperationsnetz für andere Projekte des Drittes Weges aufzubauen. Das Interesse an dem Treffen wurde durch eine gute Öffentlichkeitsarbeit im Internet geweckt. Davon zeugt die Tatsache, dass für mögliche 25 Teilnehmerplätze mehr als 50 Bewerbungen aus verschiedenen Teilen des Landes eingingen. Die zahlreichen Absagen für die nicht akzeptierten Bewerbungen haben den Organisatoren kleinere Schwierigkeiten bereitet, dennoch hat man die nicht aufgenommenen Bewerber damit besänftigt, dass ihre Bewerbungen bei den nächsten Treffen berücksichtigt werden. An dem Seminar beteiligten sich 24 Personen, darunter11Teilnehmer aus den Regionen. Als Referent wurde der belarussische Wirtschaftsexperte und Vertreter des Forschungszentrums BISS, Kirill Haiduk, eingeladen. Vor dem Treffen haben die Organisatoren ihn gebeten, eine für das junge Publikum verständliche Präsentation mit der ausführlichen Analyse des Wirtschaftszustandes und eine Perspektive für die belarussische Wirtschaft vorzubereiten. Seine Präsentation bestand aus 3 Teilen:

  1. Allgemeine Analyse der Entwicklung der belarussischen Wirtschaft in den letzten Jahren
  2. Mögliche Öl- und Gaskrise und ihre Folgen
  3. Entwicklung der nationalen Wirtschaft in naher Zukunft

Nach einer kurzen Analyse der wichtigsten wirtschaftlichen Kennziffern war das Publikum offensichtlich überrascht, weil nach den meisten Faktoren, die den Zustand der Wirtschaft darstellen, Belarus den besten Stand unter den GUS-Ländern einnimmt. Aber wie weiter aus den Worten des Experten klar wurde, hatten diese Erfolge nur eine kurzfristige Perspektive, weil die gute Konjunktur und die staatliche Unterstützung der Unternehmen nur bis zu Erhöhung der Energiepreise das ununterbrochene BIP-Wachstum gewährleisteten. Doch die Chancen für eine echte Wirtschaftskrise hielt Kiril Haiduk in Belarus für wenig wahrscheinlich. Die von den USA und der EU verhängten Sanktionen haben kaum den Wohlstand der Belarussen berührt. Aber weitere Preissteigerungen für Energieressourcen können das rapide Wirtschaftswachstum bald stoppen. Der 6-stündigen Präsentation folgten eine Fragerunde sowie Diskussionen. Den Abschluss des Treffens bildete eine 40-minutige Projektvorstellung der belarussischen Jugendorganisationen Dritter Weg, Voka und Pozirk. Dabei wurden deren laufende Projekte in den Bereichen Projektmanagement, Journalismus und Tourismus präsentiert.

Am13. April 2008 veranstaltete die belarussische Nicht regierungs organisation „Dritter Weg“ zusammen mit dem deutschen eingetragenen Verein Kultur Aktiv ein Treffen in Minsk mit Vertretern der unabhängigen belarussischen Kulturszene. Ziel der Veranstaltung war eine Auseinandersetzung über die Rahmenbedingungen unabhängigen künstlerischen Schaffens in Belarus sowie die Konsequenzen für die unabhängige Kulturwirtschaft. Zur Diskussion wurden belarussische Künstler aus verschiedenen Bereichen der Kunstszene und Interessierte eingeladen. Die Durchführung der Veranstaltung wurde leider durch die schlechten Wetterverhältnisse beeinflusst, so dass es nicht allen geladenen Referenten und Interessenten möglich war teilzunehmen. Den starken Regenfällen zum Trotz war das Auditorium doch gut gefüllt und es gelang den anwesenden Referenten, dem Schriftsteller und Fotographen Arthur Klinau und dem Musiker Leonid Pavlenok, die Diskussion ausgewogen und interessant zu gestalten. Insgesamt nahmen an dem Treffen 16 junge Menschen teil, wobei sechs aus den belarussischen Regionen anreisten. Zunächst stellte der deutsche Kulturmanager Mirko Sennewald vor, welchen Stellenwert unabhängige Kulturwirtschaft einnimmt, wie generell in Deutschland der Kulturbetrieb gefördert wird und welche Schnittstellen zwischen Privatwirtschaft und Staat bestehen. Arthur Klinau machte aus seiner pessimistischen Sicht auf die Entwicklung und Perspektive der unabhängigen Kulturszene in Belarus keinen Hehl. Aufgrund der stark begrenzten Nachfrage nach deren Produkten seien die meistens Künstler gezwungen ihrer Tätigkeit nebenberuflich nachzugehen oder lebten am Rande des Existenzminimums. Die fehlende Nachfrage begründete er mit der Beschränktheit des belarussischen Marktes, aber auch mit dem Fehlen von professionellen PR-Agenturen und Promotern. Mirko Sennewald ergänzte, dass dies einerseits auf die fehlende Erfahrung zurückzuführen sei, andererseits gerade Kulturunternehmen sehr empfindlich auf staatliche Bürokratie und fehlende Gestaltungsfreiheit reagieren.

Leonid Pavlenok ging ausführlich auf die Probleme und Barrieren ein, die ihm von Seiten des Staates beim Durchführen von Konzerten oder anderen Veranstaltungen begegnen. Er bemängelte ein völliges Fehlen von staatlicher Unterstützung in finanzieller, aber auch anderer Hinsicht. Des Weiteren berichtete er, dass „unabhängige“ Musiker von Seiten des Staates nicht als Künstler anerkannt werden.

Während der zweistündigen Diskussion beteiligten sich die Teilnehmer rege an der Diskussion, stellte zahlreichen Fragen zur Tätigkeit und zum Werdegang der Referenten und interessierten sich für die Einschätzung der Künstler zur gegenwärtigen Situation in Belarus und zu möglichen Entwicklungsperspektiven der belarussischen Kunstszene.

Am 18. Mai 2008 versammelten sich im Internationalen Begegnungs- und Bildungszentrum (IBB) im Rahmen des deutsch-belarussischen Projektes „Liberaler Klub“ 18 junge Menschen um sich über das Thema „Belarus, EU und Nato“ auszutauschen. Als Referent konnte der bekannte Politologe und Experte für internationale Beziehungen Wjascheslaw Posnjak gewonnen werden. Posnjak lehrt an der Europäischen Humanistischen Universität Vilnius. Ihm gelang es ideal auf den Kenntnisstand der Zuhörer einzugehen, er zeigte großes Interesse an dem Projekt im Allgemeinen und bot seine Zusammenarbeit für zukünftige ähnliche Treffen an. Sein Vortag gliederte sich folgendermaßen:

Nach einer kurzen Einführung über die aus belarussischer Perspektive interessantesten Fragen ging der Experte auf den heutigen Zustand und die aus seiner Sicht in naher Zukunft zu erwartende Entwicklung der Europäischen Union ein, um später deren Bedeutung für Belarus zu verdeutlichen. In einer zweiten thematischen Einheit wurde danach die Nato unter die Lupe genommen, wobei dieser Teil aufgrund von zahlreichen Zwischenfragen der Teilnehmer um einiges kürzer ausfiel. Zu Beginn erfolgte ein kurzer Überblick über die Entwicklung, Geschichte, und Struktur der europäischen Union. Posnjak ging tiefgründig auf die Bestrebungen zur Verabschiedung einer europäischen Verfassung ein, stellte die Diskussion über einen möglichen Beitritt der Türkei dar und sprach über die Beitrittsperspektiven verschiedener anderer Länder. Ihm gelang es den

Teilnehmern eine differenzierte Darstellung über die EU zu vermitteln, wobei er auch der Stimmungslage innerhalb der „europäischen Bevölkerung“ gegenüber Entscheidungen aus Brüssel und gegenüber möglichen Erweiterungsbestrebungen Aufmerksamkeit schenkte. Interessant zu beobachten war, dass vor allem die Frage nach dem EU-Beitritt der Türkei unter den Teilnehmern höchst emotional diskutiert wurde.

Nun folgte der Teil auf den die Teilnehmer, den Zwischenfragen entnehmend, mit Ungeduld gewartet hatten und der Politologe ging auf die belarussisch-europäischen Beziehungen ein. Als ein „Jahrzehnt der verschenkten Möglichkeiten“ beschrieb er die vergangene Entwicklung bevor er die einzelnen Schritte der Beziehungen durchleuchtete. Auf die Frage, ob er sich eines Tages Belarus in enger Zusammenarbeit bzw. als vollwertiges Mitglied in der EU vorstellen könnte, entgegnete er „in nicht weniger als 20-25 Jahren und dies auch nur, wenn Belarus am heutigen Tage eine europaoffene und dialogbreite Position vertreten würde. Aber die heutige Situation in Belarus verschiebt eine europäischen Integration unseres Landes um einige Jahrzehnte“.

Einer der Teilnehmer, Student der internationalen Beziehungen, beschrieb seine Sicht der Beziehungen folgendermaßen: „Heutzutage macht es nur bedingt Sinn über Vor- und Nachteile eines Beitritts nachzudenken. Oft wird in all der Aufregung über die Frage, ob Belarus eines Tages der EU beitreten sollte vergessen die Kehrseite der Frage zu durch leuchten, ob man Unsinn der EU überhaupt haben möchte? Die Antwort auf diese Frage ist für die Unterstützer einer proeuropäischen Bewegung in Belarus eher schmerzhaft.“

Am Samstag, den 6. Juni, fand in der Internationalen Bildungs- und Begegnungsstätte ein Liberaler Club zum Thema „Transformation der belarussischen Wirtschaft“ statt. Da der zeitliche Abstand zum vorhergehenden Liberalen Club nur weniger als 20 Tage betrug und der Termin in der Prüfungszeit lag, verlief die Vorbereitungsphase für die Organisatoren sehr angespannt. Des Weiteren sagte der eingeplante Referent Jaroslav Romanchuk fünf Tage vor der Veranstaltung aus dienstlichen Gründen ab, obwohl der Termin schon seit geraumer Zeit von ihm bestätigt wurde und das Organisationsteam im regelmäßigen Kontakt mit ihm gestanden hatte. Kurzfristig gelang es als Referent die Expertin des Internationalen Privatisierungs- und Managementinstituts (IPM) Minsk, Elena Rakova, für die Veranstaltung zu gewinnen. Das Thema des Treffens stieß auf großes Interesse bei den potenziellen Teilnehmern. Aus diesem Grund wurde ein größerer Seminarraum angemietet. An der Veranstaltung nahmen auch zwölf Stipendiaten der Friedrich-Naumann-Stiftung aus Deutschland und die Leiterin der Begabtenförderung Dr. PetraWeckel teil, die zu dem Zeitpunkt im Rahmen der Studienreise „Belarus im Wandel?“ in Minsk verweilten. So kam es im Verlauf des Tages zu einem intensiven und lehrreichen Kontakt zwischen den belarussischen Teilnehmen und den jungen deutschen Liberalen. Die Gesamtzahl der anwesenden Teilnehmer belief sich auf ca. 40 Personen, was das Interesse der jungen Menschen an solchen Veranstaltungen noch einmal bestätigte. Die meisten Anwesenden waren Politik- und Wirtschaftswissenschaftler der belarussischen Universitäten. Da nur wenige deutsche Teilnehmer über ausreichende Russischkenntnisse verfügten, wurde eine Simultandolmetschung bereitgestellt, was die allgemeine Durchführung des Clubs aber nicht störte. An dem Treffen nahm auch der Referatsleiter Mittel-, Südost- und Osteuropa (MSOE), Bereich Internationale Politik, der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Sascha Tamm, teil.

Zu Beginn der Veranstaltung ging die Referentin auf die Auswirkungen der Gaspreiserhöhungen auf die belarussische Volkswirtschaft ein und versuchte den Teilnehmern zu verdeutlichen, in welchem Rahmen Belarus in den letzten Jahren von den niedrigen Preisen für Rohstoffe und durch deren Transit profitiert hatte. Sie zeigte auf, welche drastischen Kosten auf die belarussische Volkswirtschaft zukommen werden. Nachdem die Ursachen für eine potentielle Privatisierung dargelegt wurden, gab Rakova einen kurzen Überblick über den Verlauf der Privatisierung seit der Unabhängigkeit des Landes. Daraufhin ging sie auf die aktuelle Entwicklung ein. Obwohl ein Großteil der belarussischen Staatsunternehmen schon in Aktiengesellschaften umgewandelt und den

Beauftragten der Regionen ein Plan zur Privatisierung auferlegt wurde, verzögert sich diese, da die belarussische Staatsmacht die Veräußerung verlustbringender Unternehmen und den damit verbundenen Anstieg der Arbeitslosigkeit fürchtet. Die Referentin bezeichnete den Großteil der Staatsunternehmen als unrentabel und ineffizient. Anschließend wendete sie sich dem belarussischen Tafelsilber, den gewinnbringenden Unternehmen, zu. Rakova ging ausführlich auf verschiedene Privatisierungsvorgaben ein, durchleuchtete den Verkauf des Mobilfunkanbieters VELCOM und Belneft im Jahre 2007 und zeigte, auf welche Perspektiven mit einer Privatisierung „hinter verschlossenen Türen“ verbunden sind. Rakova machte in ihren Ausführungen deutlich, dass eine Transformation der belarussischen Wirtschaft unaufhaltsam ist, wobei die Privatisierung nur langsam, je nach Bedarf und unter strengster Aufsicht und Kontrolle erfolgen wird.